Rund 65 Millionen sind in Deutschland aufgerufen, um zur Europawahl zu gehen. Davon sind 4,8 Millionen Erstwähler, 1,5 Millionen sind 16 oder 17 Jahre alt. Was sind die Perspektiven der jungen Generation auf Europa? Wer nicht, wenn nicht die Vertreter der Jugendorganisationen der Union wissen, wie die jungen Leute ticken. Der JU-Chef Johannes Winkel ist überzeugt: „Europa ist die einzige Chance, dass wir in Zukunft überhaupt noch wahrgenommen werden.“ Er warnt: „Heute ist Deutschland noch ein starker Spieler. Aber wenn wir 30, 50 Jahre nach vorne schauen, dann wird uns allein kaum noch jemand ernst nehmen. Wir brauchen ein starkes Europa, um überhaupt noch mitzureden, bei den großen Fragen der Zeit. Das Endziel müssen die Vereinigten Staaten von Europa sein.“
Was braucht es jetzt? „Wir müssen raus aus dieser Angstspirale. Statt mit Angst zu spielen, brauchen wir ein anderes Motto.“ Deshalb heißt die Europa-Kampagne der Jungen Union: Zeit für Optimisten. Ängste lassen sich auch mit einem Gemeinschaftsgefühl begegnen. Lukas Honemann, der Bundesvorsitzende des Rings Christlich-Demokratischer Studenten – kurz RCDS -, stellt fest. „Europa ist für die jungen Menschen zur Selbstverständlichkeit geworden”. Das schaffe die Gefahr, dass man vergesse, was wir erreicht haben. Daher meint er: „Programme wie Erasmus + sind wichtig, um der jungen Generation zu verdeutlichen, wie viele Möglichkeiten aus Europa entstehen.“
Benedikt Groß, der Bundesvorsitzende der Jungen Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft – kurz JCDA –, stellt aber auch die alltäglichen Vorzüge der EU heraus: „Im Alltag lebt sich Europa reibungslos – wir können die über die Grenze fahren, die Patienten werden auch im EU-Ausland versorgt. Es ist Freiheit, es ist Versorgung, es ist ein Stück Sicherheit.“
Wirtschaft, Bildung und Forschung zusammen denken
Dass Europa sich in wirtschaftlicher Hinsicht in unruhigem Fahrwasser befindet, ist unter den Diskutanten Konsens. Warnende Töne kommen insbesondere von der Bundesvorsitzenden des Jungen Wirtschaftsrates, Caroline Bosbach: „Wenn man sieht, was in Asien und Amerika investiert wird, dann fällt Europa leider zurück.“ Die Gründe hierfür seien hinlänglich bekannt. In Zukunft müsse bei jedem neuen Gesetz die Wettbewerbsfähigkeit von vornherein mitgedacht und ökonomische Gesetze beachtet werden. „Statt immer neue Regulierung aufzubauen, müssen wir lernen, Marktmechanismen und Unternehmen zu vertrauen.“ meint Bosbach. Regulierung basiere auf Misstrauen gegenüber der Wirtschaft und auf dem Gedanken, dass der Staat der bessere Unternehmer sei. Das sei bekanntermaßen nicht der Fall. „Wir müssen dafür einstehen, dass Freiheit und Eigenverantwortung die besseren Leitprinzipien sind“, hält sie der ausufernden Regulierung entgegen. Dazu müsse man auch Schlüsselindustrien identifizieren und stärken.
Lukas Honemann stimmt Caroline Bosbach zu, gibt aber auch die Bedeutung der Forschungspolitik für eine funktionierende Wirtschaft zu bedenken: „Unsere Stärke als Europa sind nicht die Ressourcen, sondern die klugen Köpfe.“ Deswegen seien Projekte wie der Einsatz für die europäische Forschung das, was man am meisten brauche. Er warnt zudem vor der Kooperation mit China: „Förderung der Forschung in Europa ja, aber nicht in und mit China.“ Caroline Bosbach stimmt zu: „Wer nichts im Boden hat, der muss was in der Birne haben.“
Auch Bosbach warnt vor einer wirtschaftlichen Übermacht Chinas: „Europa muss auf die Wirtschaftspolitik der Kommunistischen Partei Chinas adäquat reagieren.“ Eine adäquate Antwort darauf könne nur in der Schaffung möglichst vieler Freihandelszonen liegen. Dabei solle der Fokus, viel stärker als bisher, auf dem Handel liegen. Man brauche hierfür eine neue Balance der Umwelt-, Sozial- und Handelsinteressen. Sie hält dabei pragmatisch fest: „Wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, es immer alles und jedem gleich Recht machen zu wollen.“
Wirtschaftspolitik gehe aber auch nicht ohne Berücksichtigung der Arbeitnehmerrechte, meint Benedikt Groß. „Die einzige Parteienfamilie im europäischen Parlament, die sich in den letzten Jahren um die Arbeitnehmerrechte verdient gemacht hat, das ist die EVP-Fraktion.“ resümiert er zur Arbeitnehmerpolitik auf europäischer Ebene. Zudem sei ein Bologna-Prozess in der beruflichen Bildung notwendig. Dazu müsse man den EBA, den europäischen Berufsausweis, ausweiten, damit die Menschen flexibler über die Grenze kommen. Zum Thema China hält Groß die Steuerstrategien chinesischer Firmen für eine große Gefahr: „Wir brauchen eine steuerliche Kontrollbehörde auf europäischer Ebene, um dem Steuerbetrug der chinesischer Handelsdienstleister Herr zu werden.“
Europäische Kulturen und Arbeitsweise der EU
Ein Verständnis von und für Europa, ein Verständnis für die europäischen Kulturen zu schaffen, ist für den Bestand der Europäischen Union zentral. Hierfür müsse schon der Schule die Grundlage gelegt werden, meint die Bundesvorsitzende der Schüler Union, Feodora Lüdemann. Aktuell sei man davon weit entfernt: „Europa kommt in der Schulbildung viel zu kurz. Es kann nicht sein, dass die Leute aus der Schule kommen und nicht wissen, wie ein Gesetz auf europäischer Ebene verabschiedet wird.“ Nur mit einer umfassenden Auseinandersetzung mit Europa schon in der Schule könne man die Akzeptanz und Transparenz der Europäischen Union langfristig gewährleisten.
Lukas Honemann hebt praktische Erfahrungen mit den europäischen Kulturen als wertvolle Basis für ein Verständnis der europäischen Beziehungen hervor. Aus eigener Erfahrung schließt er, dass, wenn es einen guten Weg gäbe, Europa und seine Kulturen kennenzulernen, dieser über Erasmus+ und Interrail führen müsse: „Es gibt nichts Schöneres, als mit einem Rucksack auf dem Rücken und Europa im Herzen über Wochen von schäbiger Jugendherberge zu schäbiger Jugendherberge zu fahren und Europa so kennenzulernen, wie es ist: wunderschön, an manchen Stellen etwas schmutzig, aber insgesamt eine Erfahrung wert.“ Dies sei ein Weg, wie man den europäischen Geist vermitteln könnte. Viele Unternehmen verlangten heute interkulturelle Kompetenz und Auslandserfahrungen. Nirgendwo außer in Europa seien die Chancen besser, leicht diese interkulturelle Kompetenz zu entwickeln. Er spricht sich für eine engere Union der europäischen Staaten aus: „Ich glaube, Europa ist der Weg, wie wir weiter zusammenwachsen können und müssen.“
Parallel zu Erasmus+ sei eine deutliche Ausweitung der Austauschprogramme für Auszubildende notwendig, fügte Feodora Lüdemann an: „Es gibt zwar für Auszubildende auch Austauschprogramme, dafür müssen sich bislang aber die Unternehmen bewerben. Für die kleinen und mittelständischen Unternehmen bedeutet das viel Aufwand.“ Diesen Prozess müsse man verändern und vereinfachen. Der Austausch sei auch für Auszubildende von großer Bedeutung, denn: „Der kulturelle Austausch ist der Mehrwert von Europa.“ Insgesamt sei es zudem wichtig, in jeder Schulform Europa mehr zu thematisieren.
Mehr Wissen über Europa ist der Schritt zu stärkerer Identifikation mit der EU und einem größeren Interesse an Teilhabe und Teilnahme. Viele junge Mitglieder in den Fraktionen und auf guten Listenplätzen würden auch hierzu beitragen, stellt Johannes Winkel fest. Man müsse für die Leute durch Veranstaltungen auf die Bedeutung aufmerksam machen „Hier geht es um was“. Man müsse die EU-Wahl auch mehr in die Öffentlichkeit tragen. Am Ende sind sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig: „Wir müssen auf die Menschen zugehen.“
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